Digitalisierung am Bau – Wunschtraum oder Wirklichkeit?
Tag 2 der der BAU 2019 stand für den BAUmobilreport unter den Schlagworten „Digitalisierung“ und „Holz als nachwachsender Baustoff“. Was auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun hat, erwies sich als durchaus organische Verbindung.
In Sachen Digitalisierung ist Deutschland ein Maulheld: Das Schlagwort dominiert die Fachdiskussionen, in der Umsetzung jedoch hinken wir den europäischen Nachbarn hinterher. Fachjournalist Tim Westphal konstatierte am Handwerkerstammtisch, dass die Bauwirtschaft bislang noch kaum digitalisierte Prozesse vorzuweisen hat – kein Maurerroboter baut Wände, Bauanträge werden weiterhin analog gestellt. Building Information Modeling (kurz BIM) als kooperative Arbeitsmethodik zur Generierung eines digitalen Zwillings für Immobilien ist im westeuropäischen Ausland bereits auf dem Vormarsch. Hierzulande wird die Technologie erst bei wenigen Großprojekten eingesetzt, weil die mittelständisch geprägte Bauwirtschaft in der derzeitigen Hochkonjunktur schlicht kaum Zeit für die Implementierung habe, kritisiert Westphal. Wie BIM die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Mittelstandes im europäischen Kontext sichern kann, erläuterte André Pillig im überfüllten Forum „The Future of Building“. Denn 3D ist gestern – zukünftig umfasst BIM 4D und 5D auch die Zeit- und Kostenkomponente und erlaubt so die simultane Kollaboration aller an Bau und Facility Management beteiligten Gewerke.
„Bitte ein BIM“ ist jedoch keine Strategie, betont Berater Pillig. Im Vorfeld muss der implementierungswillige Betrieb seine Hausaufgaben machen und den eigenen Datenbestand und -bedarf umfassend analysieren.
Entwerfen und Bauen digital anders denken
Wie sich die Wissenschaft dem Thema digitales Bauen nähert, beschrieb anschließend Prof. Achim Menges am Beispiel eines aus einem Holzplattensystem konstruierten Gebäudes. Er beschäftigt sich mit der Ableitung von Konstruktionsmethoden aus biologischen Prinzipien verschrieben und betont die Bedeutung des nachwachsenden Baustoffes Holz im Sinne der notwendigen Reduktion von Ressourcen- und Energieverbrauch beim Bauen, denn „so wie jetzt können wir nicht weiter bauen“, mahnt er. Nach dem Vorbild des Plattenskeletts eines Seeigels fügt er in seinem Projekt in Zusammenarbeit mit Biologen der Universität Tübingen robotergefertigte Holzplatten wie Puzzleteile in Fingerzinkenverbindung ohne zusätzliche Verbindungsteile zusammen. Im Livemodell suchen sich die einzelnen Platten, die mit einer Abweichung von durchschnittlich maximal 0,4 mm gefertigt werden, im n-dimensionalen Morphospace die optimale Anordnung – Co-Design als simultanes Vorgehen, nicht mehr als Abfolge digitaler Ketten. Darin sieht Menges die eigentliche Innovation.