Digitalisierung und kostengünstig Bauen in der Praxis

„Von der Vision in die Praxis“ – der Titel des Forums ist auch der Oberbegriff des BAUmobilreports vom Mittwoch. Hier hatten sich Politik und Forschung geäußert, jetzt kommt die Praxis zu Wort.

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Ingeborg Esser, Hauptgeschäftsführerin des GdW. Foto: GdW

Den Anfang machte Ingeborg Esser, Hauptgeschäftsführerin des  Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW. Sie stellte einleitend fest, dass es auf die Herausforderung Digitalisierung, das aktuelle Megathema für Wohnungsunternehmen, trotz oder gerade wegen seiner Bedeutung keine einfachen Antworten gibt. Die Wohnungsunternehmen bewegen sich diesbezüglich in einem Spannungsfeld zwischen der Wunschvorstellung „intelligente Gebäude und Quartiere“, den Anstrengungen zur betrieblichen Optimierung und den Wünschen der Kunden bzw. Mieter. In einer Studie zu den aktuellen Wohntrends hat der GdW herausgefunden, dass Mieter heute funktionaler, bescheidener und kommunikativer wohnen wollen, und weniger repräsentativ und konventionell.

Digitales Wohnen und Leben setzt schnelles Internet in der Wohnung als unabdingbare Grundlage voraus und umfasst die digitale Steuerung von Heizung, Licht und Multimedia-Angeboten bis hin zum integrierten Smart Living im Smart Home. Daraus ergeben sich neue Geschäftsmodelle für Wohnungsunternehmen, die digitale Assistenzsysteme wie beispielsweise Alexa integrieren müssen. Dabei darf jedoch das Gebot der Datensparsamkeit nicht außer acht gelassen werden, nicht nur aus Gründen des Datenschutzes, sondern auch wegen der Energieeffizienz: Wie Thomas Kirmayr im vorhergehenden Vortrag erwähnt hatte, steigt der Energieverbrauch von Servern und Rechenzentren in Deutschland von 4 Mrd. Kwh im Jahr 2000 auf geschätzte 12 Mrd. Kwh im Jahr 2020! Das zeigt, dass Digitalisierung bei unsachgemäßer Umsetzung zum Klimakiller werden kann.

Esser mahnt deshalb, nicht sinnlos zu digitalisieren, sondern den jeweiligen Daten- und Informationsbedarf im Vorfeld strikt zu analysieren.

Einsparungspotenziale durch rationale Digitalisierung sieht Esser vor allem im Immobilienbetrieb, denn: „Rund 80 % der Lebenszykluskosten einer Immobilie entstehen im laufenden Betrieb!“ Deshalb können relevante Einsparungen nur realisiert werden, wenn die Digitalisierung der rund 40 Millionen Bestandswohnungen in Deutschland vorangetrieben und nicht auf den Neubau beschränkt wird. Mit ihrem Vorredner Kirmayr ist sie sich darin einig, dass es dafür Pilotprojekte braucht, die insbesondere zeigen, ob und wie Wohnungsnutzer, Hausmeister und Facility Manager befähigt werden können, die Einsparpotenziale umzusetzen anstatt unfreiwillig zu torpedieren.

Zukünftig sieht Esser ein gewaltiges Potenzial im Einsatz von künstlicher Intelligenz für assistiertes Wohnen, so dass ältere Menschen länger selbständig leben können, weil ihre intelligente Wohnung ihre Vitalfunktionen überwacht, Unfälle etwa durch Sturzgeschehen entdeckt und meldet und sicherheitsrelevante Versäumnisse, etwa beim Abschalten von Herdplatten, ausgleicht.

Kostengünstig Bauen – Bericht aus der Praxis

Wie Baukosten in der Praxis gesenkt werden können, zeigt das Beispiel der mikroLOFTS der Wohnungsbaugenossenschaft Familienheim Schwarzwald-Baar-Heuberg eG. Sebastian Merkle, Vorstand der baden-württembergischen Genossenschaft mit 4.100 Mitgliedern und 2.500 Wohnungen im Bestand, präsentiert das Projekt zum strikt kostengünstigen und dennoch attraktiven Neubau, dessen Prototyp im Mai 2014 nach neunmonatiger simultaner Konzeption durch Architekt und Fachplaner fertiggestellt wurde. Auch dieses Projekt wurde nur durch diese engmaschige Zusammenarbeit mit 14-tägigem Jour Fixe ermöglicht.

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Standardgrundriss einer 3-Zimmer-Wohnung. Foto: mikroLOFT

Das Projekt mikroLOFT spart Kosten durch den Verzicht auf Tiefgaragen und Keller. Abstellräume werden ebenerdig errichtet, flächeneffiziente Standardgrundrisse fordern grundsätzlich nur einen Schacht pro Wohnung (egal ob ein oder vier Zimmer enthalten sind) und setzen auf multifunktionale Bewegungsflächen. Leitungen werden in der Decke verlegt und sparen so eine Ziegelreihe in der Raumhöhe ein. Der Prototyp aus dem Jahr 2014 kam mit Baukosten von 1.727 Euro pro Quadratmeter (ohne Grundstück) aus und konnte zu gut 6 Euro pro Quadratmeter vermietet werden. Weitere Projekte wurden in Zusammenarbeit mit der Stiftung Liebenau Teilhabe für Menschen mit Behinderung erstellt.

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Kostengünstiges Bauen muss nicht billig wirken. Foto: mikroLOFT

Dabei legt Merkle Wert auf eine ästhetisch ansprechende Ausstattung der Wohnungen und zeigt, dass kostengünstiges Bauen nicht billig wirken muss.